Der Alltagsstress ist in der heutigen Zeit geradezu zu einem Gesellschaftsphänomen geworden. Kaum jemanden gelingt es, nicht unter Stress und Anspannung zu leiden. Die einen mehr und die anderen weniger. Besonders Frauen sind durch ihre Multitasking-Aufgaben und die verschiedenen Lebensrollen, die sie einnehmen davon betroffen.
Während es früher gefühlt nur einen Alltagsstress oder einen Business-Stress gab, ist es heute unmöglich geworden, zwischen beiden Arten der Belastung eine klare Linie zu ziehen. Es ist völlig egal geworden, woher der Stress nun kommt, denn: Stress ist einfach nur STRESS!
Die Zeit reicht weit zurück, in der es nur zwei Lebensvarianten gab: Business-Kaspar oder Hippie-Vertreter.
Während der erste Zeitgenosse, unser Business-Kaspar stets wichtig und unter Zeitdruck um die Welt jettete und sich über seine Flugmeilen profilierte, rottete sich der andere Teil der Bevölkerung einsam, zweisam oder gemeinsam in einer veganen Hippie-Kommune zusammen und entsagte in allen Zügen dem Kapitalismus.
In der heutigen Zeit leben wir im Tal der unbegrenzten Möglichkeiten und brauchen von allem etwas, um im Leben nicht irgendwann das Gefühl zu haben, etwas verpasst zu haben. Wer cool und akzeptiert sein will, hat sich am Puls der Zeit zu orientieren und das bedeutet eben, eine Checkliste wie diese im Lebensrausch abzuarbeiten:
- Gut aussehen und einen gesunden Lebensstil verfolgen.
- Jetset und Spaß haben.
- Die 100 wichtigsten Orte der Welt erleben.
- Sich selbst verwirklichen.
- Vorreiterin, beispielsweise einer feministischen Bewegung zu sein.
- Sinnstiftend einen Beitrag zu Umwelt- und Klimaschutz leisten.
- Über ein gutes finanzielles Polster verfügen.
- Ein erfülltes Leben ohne Tabus und Grenzen führen – und dabei ganz nebenbei noch in deiner absoluten Mitte verweilen.
- … na und die kleinen Bedürfnisse, die da sonst noch so in dir wach werden befriedigen: Mein Auto, mein Haus, mein Urlaub …
Um all diese „successful habbits” mit deiner Balance in Einklang zu bringen, wirst du also Mitglied im 5 o’clock Club und begibst dich morgens um Punkt 5 Uhr aus dem Bett, um pünktlich mit deiner Meditation zu beginnen, deine Yoga Übungen umzusetzen und dich dann den Rest des Tages deiner Arbeit zu widmen und erfolgreich zu sein, bahnbrechende Entscheidungen zu treffen und ganz nebenbei ein Kind und einen Hund großzuziehen, ohne dabei Ehemann, Katze und Freunde zu vernachlässigen.
Eins steht fest: Unsere Gesellschaft hat sich verändert und das Leben, in dem wir leben wird, immer schneller, immer greller, immer bunter…und, wer dem Trubel und dem reißenden Fluss, in dem wir leben nicht gerecht wird, der wird darin unter gehen, so die Befürchtung.
Viele Kinder der 90er finden dieses viele „Neu“ und die unaufhaltsamen Veränderungen gar nicht so schlecht, denn sie ermöglichen ihnen ein erfülltes, pralles und aufregendes Dasein – aber trotzdem stellt sich dabei wieder und wieder die Frage: Geht es mir damit wirklich besser als meinen Groß- und Ur-Großeltern?
Wenn ich mein Dasein als „workaholic“ so betrachte und ganz ehrlich bin, dann prägen Instabilität und Ballast meine Psyche und beeinflussen meinen Gemütszustand mehr und mehr. Und ich empfinde das immer höher, immer schneller, immer weiter schon lange nicht mehr als eine Frage meines beruflichen Alltags – oder meiner beruflichen Freiheit? Um diesem Lebensanspruch gerecht zu werden und mithalten zu können, MÜSSEN wir uns heute auch privat über Instagram, Snapchhat und TikTok beweisen. Die echte Coolness und Lebensberechtigung beginnt direkt nach dem Wecker-Klingeln mit dem grünen „healthy-smoothie“ und endet mit einem gedankenverlorenen und tiefgründigen „Gute.Nacht-Posting“ irgendwann nach einem hektisch, unbewusst gelebten Tag.
Wo bleibt da unser eigenes Ich und unsere Privatsphäre und noch viel wichtiger die Frage: Was macht dieses Lebensstil-Phänomen mit uns?
Kennst du das, dass du von einem Termin zum nächsten hetzt? Und dein Kopf fühlt sich an wie eine reine To-Do Liste, in der du selbst den Anruf bei der besten Freundin speichern musst? Dann bist du nicht allein und ich heiße dich Willkommen in dieser wilden Welt!
In den letzten Jahren hat sich unser Leben mehr und mehr beschleunigt und wir sind Tag und Nacht einem bewussten und unbewussten Druck ausgesetzt. Die Suche nach dem Sinn und nach uns selbst ist selbst zu einem Projekt mit Meilensteinen und Teilzielen geworden – eine Reise, auf der viele fühlen, nie anzukommen.
Wer versucht, dagegen Abhilfe zu schaffen, zündet meist neuen Stress, denn das regelmäßige Yoga und die kleinen Pause müssen terminiert werden zwischen den anderen Freizeitaktivitäten, wie dem Grillen an der Alster, dem Kurztrip nach Rom und den 30-Tage Challenges ohne Zucker. Na und, um dir dann noch mehr Ruhe zu gönnen, jettest du zum Retreat in die Alpen, um hier mit anderen Business-Partnern gemeinsam abzuschalten und die Ruhe zu genießen. Und ganz nebenbei die E-Mails und Social Media Kanäle zu bedienen, um nicht vergessen zu werden. Sonst denken die anderen noch, du ruhst dich aus!
Dabei sieht Achtsamkeit und wahre Entspannung ganz anders aus und setzt dem Stress ein wahres Ende!
Viele müssen sich zunächst zwingen, Achtsamkeit in ihr Leben aufzunehmen und ich möchte euch, egal, ob Kritiker, Neulinge oder einfach Interessierte zunächst einmal ein wenig über die Achtsamkeit und das bewusste Empfinden von Achtsamkeit erzählen.
Die Achtsamkeit wird als eine Form der rezeptiven Aufmerksamkeit verstanden und bildet das Bewusstsein von momentanen Vorgängen und Erfahrungen im Körper und Geist ab.
Es ist frei von Bewertungen, das heißt, es ist eine „nonjudgmental awareness of experiences“. Der Begriff „Achtsamkeit“ hat vor allem in den vergangenen Jahren zunehmend an Popularität gewonnen – dabei bedeutet das Wort an für sich nichts mehr, als sich dessen BEWUSST zu werden, das gerade JETZT in unserem Körper und um uns herum passiert – und zwar: OHNE BEWERTUNG.
In der Achtsamkeit schenken wir dem jetzigen Augenblick unsere volle Aufmerksamkeit und begegnen ihm KLAR und WACH. Den Begriff führen wir unmittelbar auf Buddha zurück, der in seinen, Jahrtausend alten Schriften, die zwischen dem 4. Und 5. Jahrhundert vor Christus entstanden sind, erstmals den Zugang zur Achtsamkeit als solche beschrieb.
Die Achtsamkeitspraxis ist seit jeher zur Linderung des Leidens und dem Finden des inneren Friedens bestimmt.
Die Achtsamkeit ist eine Praxis, die inhaltsneutral ist, aber dennoch eine ganz bewusste Beobachtung des Geschehens – im INNEN und AUSSEN – darstellt und erlebbar macht.
In der erlebten Praxis bedeutet dies, mit einer gesunden emotionalen Distanz die Dinge in und um sich herum URTEILS- und BEWERTUNGSFREI wahrzunehmen. Du wirst zum bewertungsfreien Beobachter deines HIER und JETZT. Du erlebst diesen Moment als einen Zustand, in dem alles gut ist.
Sich diesem Zustand zu widmen ist in der heutigen Zeit wohl keine so schlechte Idee. Achtsamkeit bietet uns nämlich die Möglichkeit, aus dem reizüberfluteten Alltag einmal auszubrechen und einfach nur bewusst zu sein. Das Ziel der Achtsamkeit ist es, sich den eigentlichen Gedanken in unserem Kopf überhaupt erst einmal bewusst zu werden. Nur so erfahren wir, welche Gedanken wir über den Tag verteilt uns begleiten und vielleicht auch hindern, zur Ruhe zu kommen. Das Bewusstsein und die Bewusstwerdung sind natürlich nur die eine Seite der Medaille. Denn auch unser unbewusstes Handeln hat natürlich Gutes. Viele Dinge haben wir so verinnerlicht, dass wir sie wie mithilfe eines Autopiloten durchführen. So wissen wir beispielsweise, dass wir, wenn wir zur Toilette gehen, die Hose hinunterziehen, beim Autostarten die Kupplung treten oder beim Braten Öl in die Pfanne geben. Nachteilig werden unbewusste Gedanken nur, wenn sie uns nerven, sabotieren und sich immer weiter im Kreis drehen und uns dadurch unglücklich machen.
Ein besonders positiver Aspekt der Achtsamkeit besteht darin, dass man sich konzentriert und damit alles andere in den Hintergrund rückt. Wir sind frei von Ängsten, Sorgen und äußeren Reizen. Auch das bewusste Gehen, Kampfsport oder das Malen sind Methoden, achtsam und bewusst zu handeln.
Zusammengefasst ist die Achtsamkeit der Zustand, in dem ein Mensch hellwach ist und in einer bewussten, gegenwärtigen Verfassung seinen Körper, seinen Geist und seine unmittelbare Umwelt wahrnimmt, ohne sich von Gedanken abzulenken. Achtsamkeit bedeutet Geistesgegenwart.
Eine heutzutage wissenschaftlich erfolgreiche Form der Achtsamkeit ist das Achtsamkeitsbasierte Stressmanagement, kurz: ABSM. Die Achtsamkeitsübungen umfassen das achtsame Wahrnehmen des eigenen Körpers und eine sanfte Ausführung von Asanas, der verschiedenen Yogahaltungen. In einer Sitzmeditation erlernen die Teilnehmerinnen das einfach, bewusste und stille Sitzen und im Moment und der Haltung innezuhalten. Ein bewusstes Gehen und das langsame Ausführen von Bewegungsabläufen mit mehrminütigen Atemübungen sorgen bei regelmäßiger Ausführung zu einem Automatismus, der die Achtsamkeit in die täglichen Handlungen einbindet. Das ABSM kombiniert Übungen zur bewussten Wahrnehmung aus dem Yoga, der Meditation und verbindet so Körper und Geist. Das nicht-wertende Annehmen des Moments ist dabei allentscheidend, um einen distanzierten Zugang zu Emotionen, Gedanken und Sinneswahrnehmung zu ermöglichen und damit positiv auf die psychosomatische Gesamtgesundheit einzuwirken.